28. Februar 2025 | 5 Fragen an ...

5 Fragen an … Susanne Dietz

Gelingende Vereinbarkeit von Kind und Karriere

In ihrem Buch „No Mom is perfect!” entzaubert Dr. Susanne Dietz die himmelblaue und rosarote Welt des Mamaseins und möchte so die Last von den Schultern so vieler Mütter mit ihren ohnehin hohen Ansprüchen an sich selbst nehmen.

In einem abwechslungsreichen Mix aus eigenen Erfahrungen und unterhaltsamen Anekdoten erzählt sie von ihrer Identitätsentwicklung als berufstätige Mutter von drei Kindern. „Mutterwerden war ein Entwicklungsbooster für mich“, sagt sie und verheimlicht dabei nicht, wie sehr ihr ihre Arbeit und der Sinn gerade nach der ersten Geburt gefehlt haben. Sie plädiert für einen offenen und ehrlichen Umgang mit den eigenen Zweifeln und wünscht sich einen verständnisvollen Blick der Mütter auf sich selbst. Sie will signalisieren: “Du bist nicht allein!“

Wer ist Susanne Dietz?

 Dr. Susanne Dietz ist Keynote-Speakerin, Autorin, Podcasterin, Sinnforscherin, Trainerin und Coach und studierte und promovierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Bereits mit 26 Jahren begeisterte sie als promovierte Dozentin in Lehrveranstaltungen an Hochschulen.

Nach diversen Stationen in strategischer Mission als Personalentwicklerin bei namhaften  Arbeitgebern wie BMW, Lufthansa oder Fujitsu, gilt sie heute als Expertin für Sinn in der Arbeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Frauenförderung. Sie berät und coacht sowohl Einzelpersonen als auch Organisationen. Zu ihren Kunden zählen unter anderem DAX-Unternehmen, Organisationen im öffentlichen Dienst, Unternehmensberatungen sowie klein- und mittelständische Unternehmen verschiedenster Branchen.

Herzensthema ist ihr „Baby“  buSINNess® MOM, mit gleichnamigem  Podcast. Ihr Ziel ist es, sowohl Arbeitgeber als auch Frauen zu ermutigen, Verantwortung für echte Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu übernehmen, und Elternschaft als echtes Gemeinschaftsprojekt zu sehen. Denn Vereinbarkeit bedeutet für Susanne Dietz: Vereinbar mit mir selbst!

In einem kurzen Interview hat sie sich unseren Fragen gestellt.

5 Fragen an  Dr. Susanne Dietz, Autorin von  No MOM is perfect!

Du sagst von dir selbst, dass du von jeher zielstrebig und ehrgeizig warst, deine Karriere konsequent verfolgt hast und vor allem, dass du deinen Beruf liebst.  Was war für dich deshalb der gravierendste Einschnitt, als du Mutter wurdest?

Der gravierendste Einschnitt, als ich Mutter geworden bin, war, glaube ich, diese 24-Stunden-Verfügbarkeit. Also, ich konnte es mir vorher ja auch nicht vorstellen, was es bedeutet, wirklich 24 Stunden, nicht nur für mein eigenes Überleben, sondern auch für das Überleben eines anderen Menschen zuständig zu sein. 

Und das Bewusstsein, dass man nie eine Pause haben wird oder nicht zu wissen, wann die nächste Pause sein wird – das wird teilweise extremst zermürbend. Und auch zu wissen oder eben nicht zu wissen, wann hört etwas endlich auf, also die Phasen, die es denn da gab. 

Und dann muss ich sagen, dass ich einfach schlecht trainiert war in diesen Tätigkeiten. Also das heißt, von meinem Job her eben diszipliniert, zielstrebig, Projekte planen und so weiter und so fort, da war ich gut trainiert. Das war sozusagen meine rechte Hand, ich als Rechtshänder. 

Das fiel mir leicht, aber was ich gar nicht vorher gemacht habe in meiner Tätigkeit, war ja wirklich diese körperliche Arbeit – auch das körperlich auszuhalten oder vielleicht auch immer wieder Dinge zu machen, wo man scheitert. 

Also, was habe ich versucht, mein Kind in den Schlaf zu bringen, um dann irgendwann einfach zu akzeptieren: Ja gut, sie schläft halt einfach nur auf mir und vor allem am Anfang auch nur, wenn ich in Bewegung bin, was ich natürlich extremst anstrengend fand. 

Aber auf diese Sachen, da war ich nicht vorbereitet, und da war ich auch einfach schlecht trainiert. 

Als ehemaliger Personalerin hast du selbst miterlebt, wie viel Potenzial verloren geht, wenn Arbeitgeber sich nicht um die Rückkehr ihrer qualifizierten Arbeitnehmerinnen nach der Elternzeit bemühen. Welchen Rat würdest du Arbeitgebern deshalb geben?

Ich würde Arbeitgebern ganz dringend den Rat geben, zu Zeiten des Fachkräftemangels sich frühzeitig mit den Frauen, die sie im Unternehmen halten wollen, auseinanderzusetzen. Und das ist Nummer eins. 

Also, ich muss meine High Potentials natürlich identifizieren. Ich muss sagen: Das ist wirklich eine Frau, die passt super zum Unternehmen, die bringt uns voran, die passt super ins Team, die wollen wir auf keinen Fall verlieren. 

Und dann auch schon frühzeitig das Thema Vereinbarkeit oder Kinder und Familie wirklich offen anzusprechen. Und damit meine ich nicht, dass man im Vorstellungsgespräch sagt: „Möchten Sie mal Kinder haben?“ – ist ja rein arbeitsrechtlich überhaupt nicht zulässig. 

Aber ich kann von mir aus sprechen: Wie wird es bei uns gelebt? Was erwarten wir von den Eltern? Was können wir ihnen bieten? 

Und dann kann ich frühzeitig in den Dialog kommen. Und wenn ich dann eben die Frauen identifiziert habe, bei denen ich sage: Sollten die irgendwann das Thema Familie angehen, dann wollen wir sie auf jeden Fall halten. 

Auch hier gilt es, frühzeitig in die Planung zu gehen und vor allem diese Zeit vorauszuplanen, in der die Frau erst mal nicht im Unternehmen sein wird. 

Also, ich nenne es immer „Kontaktpläne aufstellen“, also wirklich zu sagen: Wie halten wir Kontakt? Darf ich dich anrufen? Magst du mich anrufen? Hören wir uns einmal im Monat? Schreibst du mir eine E-Mail? 

Aber wirklich konkrete Termine festsetzen, weil dieses „Melde dich doch mal, wenn das Baby da ist“ – das kann halt irgendwann sein. Und in dieser Zeit wandert die Frau vielleicht sogar ab, und das wäre total schade. 

Also deswegen frühzeitig Kontaktpläne machen und einen Raum für Offenheit schaffen. Das ist ganz wichtig, dass die Mutter auch da sagen darf: Mensch, ich habe mir das ganz anders vorgestellt. Es ist total anstrengend oder es ist total langweilig daheim. 

Und nur dann können Arbeitgeber adäquat auf die Herausforderungen reagieren. 

Denn was ich auch erlebe, ist, dass vor allem junge Mütter oftmals dann den eigenen Anspruch haben, sie müssten genauso funktionieren wie vorher und so tun, als hätten sie gar keine Kinder. 

Und der Arbeitgeber kann natürlich auch nicht reagieren, weil er weiß ja nicht, was ihre Herausforderungen sind. 

Deswegen auch der Punkt: Schaffen Sie Räume für Offenheit, für Ehrlichkeit, für einen offenen Diskurs. Dann kann Vereinbarkeit auch gelingen. 

Du bist Mutter von drei Kindern und selbstständig als Trainerin und Coach, hast einen Podcast, schreibst nebenbei Bücher … Wie bringst du das alles unter einen Hut?

Ja, das ist eine gute Frage: Wie bringe ich das alles unter einen Hut? Ich sage mal: Gar nicht, weil es schier unmöglich ist. 

Der Tag hat auch bei mir nur 24 Stunden. Und ich glaube, es sieht manchmal von außen so aus, als würde ich hier Bücher schreiben oder, wenn ich hier jetzt ein Video aufnehme, eben gut gestylt und geschminkt und hergerichtet, frisch geduscht sein und nebenher mit drei Kindern jonglieren, hier und dann meinen Workshop moderieren und so weiter und so fort. 

Dass das immer so funktioniert, das ist ja klar, dass das nicht geht. Aber das ist natürlich das, was wir sehen. 

Das heißt, ich kriege nicht immer alles unter einen Hut. Und ich muss ja auch sagen, ich arbeite nach wie vor wirklich hart daran, meine eigenen Ansprüche. 

Da sind wir bei dem Thema Perfektion und dass ich mir selbst realistische Ziele setze. 

Gerade auf Social Media wird man mit oftmals mit dem Bild von scheinbar perfekten Müttern konfrontiert, die schon morgens aus dem Ei gepellt ihre Kinderschar mit einem ausgewogenen Frühstück im klinisch reinen Zuhause verwöhnen. Die Realität sieht aber zumeist anders aus. Was hat dich letztendlich dazu bewogen, mit diesen pastellfarbenen Illusionen, wie du sie nennst, aufzuräumen?

Also, was mich letztendlich dazu bewogen hat, ist natürlich meine eigene Geschichte. 

Und ich sage auch immer, das ist mein mutigstes Buch, das ich je geschrieben habe, weil ich ja ganz lange dachte: Ich bin der einzige Depp, der es irgendwie nicht hinbekommt, und bei allen anderen klappt’s super. 

Und bei mir stimmt halt irgendwas nicht, ich kann es halt nicht, ich krieg’s nicht hin. 

Auch das macht natürlich total schlechte Laune. Ich habe aber dann irgendwann gemerkt, wenn ich offen drüber spreche, wie es mir geht – und vor allem auch das, was nicht so schön ist –, dann sprechen es die anderen auch an. 

MOM wäre auch eine prima Abkürzung für Master of Madness, denn wer Kinder hat, weiß, dass das Leben mit Kindern manchmal ziemlich verrückt sein kann und manche Tage einfach Wahnsinn sind. Was hilft dir nach einem verrückten Tag?

Ja, was hilft mir nach einem verrückten Tag? Da gibt’s ganz viele Dinge. 

Ganz spontan kommt mir da einer in den Kopf, den hatte ich letzten Sommer. 

Das war so, dass ich noch Verträge unterschreiben musste für die Uni, ein Buchmanuskript ausstehen hatte, wo ich wieder für mich selbst dachte: Ich bin viel zu weit hinten, und zusätzlich noch eine Workshopmoderation vorbereiten musste. 

Dann wurde unsere Katze krank – und zwar so krank, dass ich mit ihr in die Klinik musste. Das war schon mal sowas, was mich völlig aus der Bahn geworfen hat, in so eine Tierklinik zu fahren. 

In der Zeit hat sich meine mittlere Tochter dann hier vorne die Haare abgeschnitten – am Ansatz. 

Das habe ich dann gemerkt, als ich zurückkam. Die Küche sah aus, als hätte ich nichts erledigt. Es war wie in einem skurrilen Film. 

Und ich weiß noch, ich saß dann abends im Garten und habe nur noch in die Hecke gestarrt und dachte mir: „Was ist das?“ 

Und ich glaube, genau das ist ganz wichtig an diesen verrückten Tagen: dass man sich dann am Ende des Tages nicht noch grämt und sagt: „Das war jetzt alles scheiße.“ 

Sondern auch dann es sich herauszunehmen, in diesem Moment wirklich die Leichtigkeit zu entwickeln. Alles stehen und liegen zu lassen und zu sagen: Für heute ist es genug. Und jetzt tue ich mir noch irgendwas Gutes. Und morgen geht es weiter. 


Cover No MOM is perfect M075 No MOM is perfect!

Der ehrliche Ratgeber, den ich mir vor dem Mutterwerden gewünscht hätte
ISBN 978-3-96186-075-3
März 2025

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