Mit Fang an zu führen! legen Iris van Baarsen und Sven Hantel “nicht noch ein Buch zum Thema Führung” vor, sondern das Buch zum Thema Führung! Denn dieses Buch ist anders! Aufgebaut wie ein Roman ist es Fiktion und Realität gleichermaßen. Obwohl Iris van Baarsen und Sven Hantel vom fiktiven Werdegang ihres Protagonisten Gero zur besseren Führungskraft erzählen, beruhen die Zweifel, Probleme und Fragestellungen, mit denen Gero konfrontiert wird, auf Erfahrungen realer Führungskräfte, die sich täglich den Herausforderungen der Führung von heute stellen.
Sie waren bzw. sind selbst Führungskräfte. Sie wissen also ganz genau, was es heißt, Mitarbeiter zu führen und oft auch schwere Entscheidungen treffen zu müssen. Was aber war ausschlaggebend dafür, den bisherigen Stil Ihrer Führung infrage zu stellen?
Iris: Ich war bis 2013 HR Director, bevor ich mich selbstständig machte, und tatsächlich habe ich meine Art zu führen nie einem bestimmten Führungsstil zugeordnet. Die Art und Weise wie jemand führt, hängt mit den eigenen Werten zusammen, aus denen Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften entstehen. Somit bedeutet für mich, den eigenen Führungsstil infrage zu stellen, das eigene Verhalten zu reflektieren. Und das habe ich immer aus einem inneren Gefühl heraus getan. Man spürt ja, wenn man einen anderen Menschen ungerecht behandelt. Dann gehört der Mut und das Selbstbewusstsein dazu, es sich selbst und anderen einzugestehen. Heute kann ich das besser als früher.
Sven: Es gab für mich nicht den einen Augenblick oder das eine Erlebnis – es war ein schleichender Prozess der Veränderung bei mir und der Menschen in meinem beruflichen Umfeld. Ich selbst wollte nicht mehr „klassisch“ geführt werden, ich wollte echte Beteiligung, mehr gehört werden und radikal mehr Verantwortung. Liegt doch dann nahe, selbst und im eigenen Umfeld damit anzufangen. Dabei gibt es ein paar interessante Erlebnisse, aber das würde hier den Rahmen sprengen.
Was haben Sie konkret unternommen, um eine bessere Führungskraft zu werden?
Iris: Ich hatte drei Vorsätze: Reflektion, Kommunikation und Vorbildsein.
Das Hinterfragen des eigenen Handelns ist aus meiner Sicht die wichtigste Eigenschaft einer Führungskraft. Schwierig ist es, wenn man den eigenen blinden Fleck nicht sieht. Da ist Kommunikation und Feedback wichtig. Mit und von Vorgesetzen, Kollegen, Mitarbeitern, Familie und Freunden, und wenn man eine gute Beziehung zu ihnen hat, dann bekommt man auch ehrliches Feedback.
Beim Thema Vorbildsein in der Führung geht es mir nicht darum, immer fachlich besser zu sein, weil das ohnehin nicht möglich ist. In der heutigen komplexen und schnellen Welt noch weniger als früher. Jedoch menschlich gesehen, und dazu gehört es auch Fehler einzugestehen, Vorbild zu sein, dass war mir wichtig. Aber natürlich habe ich das nicht immer geschafft.
Sven: Jeder hat seinen eigenen Weg. Wichtig finde ich, seine eigene Art zu führen immer wieder zu spiegeln und sich selbst zu hinterfragen. Dazu ist offenes und ehrliches Feedback seiner Mitarbeiter unabdingbar. Wie bekommt man das als Führungskraft? Indem man gemeinsam mit dem Team eine Kultur des Vertrauens schafft, weg von Ängsten aus Hierarchien, hin zu Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Ein Vertrauen, das auch etwas aushalten kann. Dazu gehört es, viel und genau hin- und zuzuhören. Es gehört aber auch dazu, sein eigenes Auftreten und seine Entscheidungen immer wieder darauf hin abzuklopfen, was diese für die Kultur der Zusammenarbeit bedeuten können.
Manche Leser werden jetzt womöglich abfällig den Kopf schütteln, weil sie von dieser „Mein Freund, der Chef“-Haltung nichts halten. Doch darum geht es doch gar nicht, richtig?
Iris: Ich verstehe, wenn Führungskräfte damit nichts anfangen können und sogar der Meinung sind, dass man das unbedingt trennen sollte. Nach dem Motto: Bier ist Bier und Schnaps ist Schnaps. Es ist nicht notwendig, dass man als Chef der gute Freund der Mitarbeiter ist. Aber es schadet auch nicht. Denn was macht eine gute Freundschaft aus? Dass der Mensch mir wichtig ist, man sich gegenseitig vertraut. Wir können offen Themen diskutieren, auch kontrovers. Probleme und Uneinigkeiten sind in einer guten Freundschaft in Ordnung und man kann die andere Meinung stehen lassen. Ein Machtkampf ist unnötig.
Wenn ich all das auf die Beziehung Chef – Mitarbeiter übertrage, Ehrlichkeit, Vertrauen und Kommunikation, Respekt und Verständnis, sehe ich daran nichts Falsches oder Nachteiliges.
Doch unabhängig, ob nun ein freundschaftliches Verhältnis aufgebaut werden kann oder sollte, die entscheidende Basis für eine gute Zusammenarbeit ist Vertrauen. Und die muss eine Führungskraft herstellen können. Unbedingt.
Sven: Mit meinem Kollegen kann ich befreundet sein, mit meinem Chef nicht, weil er mein Chef ist? Dahinter stecken alte Denkmuster von Oben und Unten, von Respekt durch Schulterklappen, von der Angst vor Augenhöhe. Er/Sie muss nicht der Freund sein, aber gelebte Augenhöhe ist zumindest heute wichtig. In der Zukunft, und davon bin ich überzeugt, wird hierarchisches Denken immer mehr verschwimmen und dann verschwinden. Und die Frage wird nur noch belächelt werden.
Wie viel von Ihnen steckt tatsächlich in Gero?
Iris: Eine Menge. Ich denke als Autor verbindet man sich immer mit seinen Figuren. Es steckt aber nicht nur viel von Gero in mir, sondern auch von Max, seinem Gegenspieler. In unserem Buch haben wir die Freiheiten des anderen Sachbuchs genutzt und unsere Erfahrungen, mit denen unserer Interviewpartner und auch unserer Vorstellungskraft verbunden. Möglicherweise wird es Stimmen geben, die uns genau diese Fiktion vorwerfen, doch in der Summe ist diese Geschichte real.
Sven: Gero beendet das Buch mit dem Satz: „Die Veränderung kann nur bei mir beginnen, und dafür brauche ich eine Vision, die mich trägt, einen Mut, der mich selbst überragt und eine zutiefst moralische Haltung“. Nein, Geros Geschichte ist nicht meine Geschichte, aber seine Entwicklung, seine Haltung zur Führung und sein Optimismus haben viel von mir.
Was möchten Sie zukünftigen, aber auch erfahrenen Führungskräften mit auf den Weg geben?
Iris: Ehrlichkeit. Sich selbst gegenüber, den Menschen in der eigenen Umgebung und gegenüber der Sache. Ich glaube, wenn wir alle danach handeln, sind wir schon einen riesigen Schritt weiter.
Sven: Sich die Frage nach der eigenen Motivation zu stellen! Will ich führen wegen der Insignien der Macht, weil es sonst gefühlt kein Weiterkommen gibt oder weil sich Leiter von … im Bekanntenkreis besser anhört? Durchaus nachvollziehbare und respektable Gründe, die aber aus meiner Erfahrung auf Dauer nicht tragen. Es ist wie bei einem Lehrer, den man anmerkt, ob es seine Berufung und Leidenschaft ist, Menschen, in dem Fall Schüler, zu unterrichten und zu führen.
Fang an zu führen!
Eine Geschichte über Zweifel, Mut und Handeln
ISBN 978-3-96186-033-3
Im Hörtrailer erfahren Sie mehr zur Entstehungsgeschichte.