22. Januar 2018 | 5 Fragen an ...

Bewerben 4.0: Autor Zeylmans van Emmichoven im Interview

Vincent G.A. Zeylmans van Emmichoven ist Karriere-Coach und Bestsellerautor. Als Gastdozent hält er  Vorträge zum Thema “Job-Hunting”, er verfasst Beiträge für Magazine und ist Kolumnist bei der Süddeutschen Zeitung. Gerade ist sein neues Buch Bewerben 4.0 – Dein Traumjob in der digitalen Arbeitswelt erschienen. Er erläutert uns im Interview, was Bewerbung 4.0 bedeutet:

Herr Zeylmans, viele Ideen der Science-Fiction-Romane aus den 60er-, 70er- und 80er-Jahren haben sich inzwischen bereits erfüllt. Oder wurden von der Gegenwart überholt. Wir sind mittendrin im großen Wandel … Liest man Ihr neues Buch „Bewerben 4.0“, steigt man quasi in eine Raumkapsel ein – und Sie erklären uns die Kometen am Sternenhimmel oder besser: Sie beschreiben, wie sich unsere Lebens- und Arbeitswelt verändert und welche Trends sich abzeichnen. Hatten Sie mal den Traum, ein Sci-Fi-Autor zu werden?

Nein, eigentlich nicht. Wenn ich mir aber die heutige Realität anschaue, finde ich diese schon sehr spannend. Google hat Moonshot-Projekte und will z. B. den Tod besiegen. Über das Smartphone ist heute Gesichtserkennung möglich. Es scheitert nur noch an rechtlichen Hürden. Die Idee, demnächst ins Auto zu steigen und nicht mehr fahren zu müssen, gefällt mir. Gern verbringe ich meine Zeit mit anderen Dingen. Darüber schreibe ich. Was sind die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt? So verschwimmen Science Fiction und Realität immer mehr. Die Geschwindigkeit der Entwicklungen steigt exponentiell an!


Vor knapp 20 Jahren wurde ich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, weil der Verleger wissen wollte, wer die aus dem Rahmen fallende Bewerbung gemacht hatte. Tatsächlich hatte ich die Mappe aus weinrotem Karton selbst ausgeschnitten und gefalzt, ein besonderes Foto außen aufgeklebt und das Ganze mit einem satinierten Band zusammengebunden. Heute packt man Anschreiben, Zeugnisse, Profil und CV in eine pdf-Datei und ratzfatz ist eine Bewerbung 4.0 fertig. Oder?

Auch heute ist es wichtig aus dem Rahmen zu fallen. Die Outplacementberatung von Rundstedt spricht von 300 Bewerbungen auf eine Stelle. Karriere-Beraterin Svenja Hofert gar von bis zu 800 Bewerbungen. Somit haben sich die Prinzipien nicht geändert. Bewerben kommt von Werben und da ist Aufmerksamkeit natürlich elementar.

Wenn wir eine Bewerbung als Verpackung und Inhalt sehen ist es natürlich wichtig, dass auch der Inhalt überzeugt. Es ist aber tragisch, wenn der Inhalt hochwertig ist, die Verpackung aber unattraktiv. Dann wird das Paket nicht angerührt. Für einen Bewerber ist es blöd, dass er plötzlich Experte werden soll in der Selbstvermarktung. Diese Skills benötigt er in dieser Weise wenige Male im Leben. Meckern nützt aber nichts wenn man einen neuen Job braucht. Und dafür gibt es dann auch die Bewerbungslektüre.


Sie sprechen es an: Coachings, Webinare, Karriereliteratur – Bewerber und Bewerberinnen sind heute hervorragend darauf vorbereitet, sich optimal im Gespräch zu präsentieren. Für Personaler ist es schwer, den Menschen hinter dem antrainierten Auftritt zu erfassen. Worauf richtet er sein Augenmerk?

In der Tat ist der Bewerber häufig besser vorbereitet als der Fachbereichsleiter. Dieser stellt wenige Mitarbeiter pro Jahr ein. Der Bewerber liest Bewerbungslektüre, lässt sich coachen und hat vielleicht einige Interviews hinter sich gebracht. Der potenzielle Chef hat vielleicht einige schlaflose Nächte, denn er möchte keine Fehlentscheidung treffen.

Das Wort „Authentizität“ hört sich ein bisschen abgedroschen an. Dennoch will das Unternehmen irgendwie „fühlen“ wer einem gegenüber sitzt. Wird da nur ein Schauspiel aufgeführt? Oder „ist“ die Person wirklich so? Als Bewerber sollte man ein wenig Empathie mitbringen. Die Amerikaner sprechen auch von einer „Connection“. Der Chef will eben diese Verbundenheit erfahren und nicht das Schauspiel bei dem er nur Zuschauer ist.


Auch Führungskräfte sitzen heute nicht mehr unendlich lang im selben Sattel. In der zunehmend volatilen Arbeitswelt gibt es viele Gründe, ein Arbeitsverhältnis aufzukündigen. Welches sind die besonderen Herausforderungen, mit denen Führungskräfte auf Jobsuche konfrontiert sind? Worauf müssen sie sich einstellen?

In einer schnelllebigen Welt sind die Erfolgsprinzipien der Vergangenheit immer weniger geeignet für die Strategien der Zukunft. Erfahrung wird inflationär, da der Nutzen abnimmt. Wer heute führt, hat vielleicht fünf Generationen unter seiner Obhut. Traditionalisten, Babyboomers, Generation X, Y und Z. Diese ticken alle anders und müssen miteinander zusammenarbeiten. Wer sich als Chef nicht von den Gesetzmäßigkeiten lösen kann, die bei der eigenen Jobsuche Bedeutung hatten, wird eine neue Generation als unverschämt, fordernd und auf sich selbst ausgerichtet empfinden. Vor zwei Wochen schrieb die FAZ: Für die neue Generation ist Spaß wichtiger als Karriere.


Lassen Sie uns mal in die Kristallglaskugel schauen … wie sehen Sie unsere Arbeitswelt in sagen wir – 15 Jahren? Feel Good Managers servieren uns morgens einen Obstkorb und fragen, ob wir uns schon um unseren nächsten Urlaub gekümmert haben? Oder hängen wir Tag und Nacht mit viereckigen Augen vorm Terminal und programmieren unseren digitalen Doppelgänger, bis er so perfekt ist, dass er uns vollständig ersetzt?

George Friedman schreibt in seinem Buch „Die nächsten 100 Jahre“ über den Kampf der Länder um die Erwerbstätigen. Wir sehen – und dafür benötigen wir keine Kristallkugel – dass Deutschland bis 2025 ca. fünf Millionen Arbeitskräfte verloren gehen. Das ist Demografie. Täglich gehen zwei Babyboomer in Rente. Diese wird von einem Generation Y oder Z (Jahrgänge seit 1980 oder 2000) ersetzt. Die letzten 10 Jahre haben wir einen wirtschaftlichen Boom gesehen. Dazu hat sich die Arbeitslosigkeit halbiert. Wenn das so weiter geht, haben die Arbeitgeber in der Tat ein Problem. Schon heute können 50 Milliarden Euro Wertschöpfung nicht realisiert werden, da die Mitarbeiter fehlen.

Ich denke, dass Firmen alles tun werden, um Mitarbeiter zu gewinnen und sie zu halten. Das fängt bei der Arbeitsflexibilität an. Das Alter wird immer weniger wichtig. Arbeitnehmer werden – freiwillig – immer länger arbeiten, auch über den Ruhestand hinaus. SPIEGEL Online schrieb: 50 ist das neue 30. Somit ist es auch möglich, länger im Beruf zu bleiben.

Darüber hinaus werden immer weniger Leute im Angestelltenverhältnis arbeiten. Auch freiwillig. Schon heute kenne ich jemanden, der freiberuflich Arbeitszeugnisse für deutsche Arbeitnehmer überarbeitet und verfasst. In Thailand! Ein befreundeter Anästhesist arbeitet selbstbestimmt als Honorarkraft. Vor einiger Zeit war er mehrere Wochen in Peru. Das wäre im Angestelltenverhältnis nicht möglich gewesen. Ein Bekannter, der aus einem DAX-Unternehmen ausgestiegen ist, hat sich an vier Start-Ups beteiligt und gibt sein Wissen weiter. Ein anderer Freund hat auch aus eigener Entscheidung einen Konzern verlassen und sich als Headhunter selbständig gemacht.


Cover Buch Bewerbung 4.0Bewerben 4.0
Dein Traumjob in der digitalen Arbeitswelt
ISBN 978-3-96186-006-7

 Hier gehts zum Buch und zur Leseprobe