In diesem Beitrag der Bunker-Chroniken macht sich Michael Hübler Gedanken über etwas, das wir oft gar nicht bedenken: In Zeiten von digitaler Kommunikation beschränkt sich unsere Präsenz oft auf unsere Stimme. Welche Bedeutung unserer Stimme im digitalen Zeitalter zukommt, bespricht er im Folgenden. Nachdem er sich im ersten Teil der emotionalen Wirkung unserer Stimme gewidmet hat, um Bindung und Vertrauen aufzubauen, geht es nun um konkrete Möglichkeiten, die Stimme emotional zu modulieren, um die eigene Wirkung zu verfeinern.
II Praktische Tipps zum effektiven Einsatz der Stimme
1. Elemente zur emotionalen Modulation beim Sprechen
Die Arbeit an der eigenen Stimme und damit an der persönlichen Präsenz ist nicht nur ein Thema für Führungskräfte und Teamleiter, sondern sollte auch für andere Mitarbeiter zu einem wichtigen Thema werden. Die Zusammenarbeit über die Distanz zeigt deutlich, dass uns etwas fehlt, wenn wir uns nicht direkt in unserer vollen Schönheit wahrnehmen. Einen Teil dieser emotionalen Lücke lässt sich über die Stimme kompensieren.
Betonungen
Um Emotionen sprachlich zu vermitteln fallen den meisten Menschen als erstes die Betonungen einzelner Begriffe auf.
An einem Beispiel: “Wir müssen das unbedingt bis morgen erledigen.”
Je nachdem, was ich vermitteln will, kann ich die Begriffe in diesem Satz unterschiedlich betonen:
- Am Anfang: Wir müssen das unbedingt bis morgen erledigen.
- Das Objekt: Wir müssen das unbedingt bis morgen erledigen.
- Bedingung 1: Wir müssen das unbedingt bis morgen erledigen.
- Bedingung 2: Wir müssen das unbedingt bis morgen erledigen.
An diesem einfachen Beispiel zeigt sich, dass ein Satz durch unterschiedliche Betonungen eine jeweils andere Bedeutung bekommt.
Mehrere gleich starke Betonungen in einem Satz klingen zwar seltsam: Wir müssen das unbedingt bis morgen erledigen. Eine leichte Nebenbetonung ist jedoch normal und sinnvoll: Wir (leichte Betonung) müssen das unbedingt bis morgen (starke Betonung) erledigen.
Eine weitere Möglichkeit Akzente zu setzen besteht darin, unübliche Betonungen in einem Wort zu platzieren. Normalerweise erfolgt bei dem Begriff Diskriminierung die Betonung auf der 4. Silbe, also „ich möchte nicht diskriminiert werden“. Betonen wir stattdessen die erste Silbe, bekommt das Wort eine höhere Dringlichkeit: „Ich möchte nicht diskriminiert werden“.
Tonhöhenverlauf
Der Tonhöhenverlauf vermittelt unserem Gegenüber, wann ein Gedanke zu Ende ist. Meist ist dies am Ende eines Satzes der Fall, wenn die Stimme nach unten geht. Ich kann jedoch mit der Modulation des Tonhöhenverlaufs auch Spannung erzeugen oder mit einem Fragezeichen am Ende des Satzes einen Gedanken in der Schwebe halten und den Zuhörer dazu einladen, ihn selbst zu Ende zu bringen. Ein Beispiel: „Meinen Sie nicht auch, dass Emotionen in Gesprächen eine wichtige Rolle spielen?“
Endet die Tonhöhe am Satzende auf einem ähnlichen oder leicht niedrigeren Niveau wie zuvor, bekommt der Gedanke einen dramatischen, warnenden Charakter. Ein Beispiel: „Glauben Sie wirklich, dass das eine gute Idee ist?“
Rhythmus
Wer seine Zuhörer mitnehmen möchte, kann seiner gesamten Rede und damit seiner Stimme einen Rhythmus geben. Denken Sie dabei an Takte, zum Beispiel einen 3/4-Takt. So können Sie mit Ihrer Stimme in jedem dritten Wort einen Akzent setzen: „Wir sollten mit diesem Projekt morgen starten“. Dabei geht es weniger um kraftvolle einzelne Betonungen wie zuvor beschrieben, sondern um die Aussage als Gesamtpaket.
Solche Rhythmen durch eine komplette Rede durchzuhalten, wäre affig. In kurzen Beiträgen, sei es in Distanz- oder Präsenz-Meetings, kann diese Technik durchaus sinnvoll sein.
Klangfarbe
Wir kennen verschiedene Stimmklänge, die zeigen, wie der Sprecher sich fühlt bzw. was er oder sie ausdrücken möchte: dunkel-hell, zart-derb, klar-verhaucht, dünn-voll. Die einfachste Unterscheidung ist vermutlich in einem:
- sachlichen, neutral-offenen Ton in einer mittleren Tonlage
- freundlichen, positiven Ton, in einer etwas höheren Tonlage, die eine leichte Begeisterung oder zumindest Einladung ausdrückt
- verärgerten, angespannten Ton
- dissonanten Ton, in dem das Gesagte nicht zum Ausdruck passt und damit den Zuhörer verwirrt
Jedes Gefühl verändert die Spannung der Stimmorgane und verursacht damit eine Klangveränderung. Ein zorniger Sprecher klingt oft heiser und hoch, Wohlbefinden äußert sich häufig in einer klaren, vollen Stimme. Wer sich unsicher ist, hat meist eine dünne, zarte Fistelstimme.
Wir können unsere Stimme jedoch auch entsprechend unserer gewünschten Wirkung modulieren. Wir können unheilvoll und mysteriös klingen, wenn ein Projekt zu scheitern droht. Oder zu einer sanften Stimme greifen, wenn ein Ziel noch vage und unklar ist. Und es darf auch mal derb sein, wenn das Team zum xten mal ein Thema diskutiert, das längst abgehakt sein sollte.
Lautstärke
Auch mit Lautstärke wird Bedeutung vermittelt. Jede Veränderung der Lautstärke in beide Richtungen weckt das Interesse des Zuhörers. Lautstärkemodulationen sollten sparsam eingesetzt werden, um nicht künstlich und verwirrend zu wirken.
Mit der Lautstärke sollten wir jedoch vorsichtig sein. Bei Rückfragen reagieren wir häufig mit einer Erhöhung der Lautstärke. Sie kennen das vielleicht aus privaten Kontakten mit älteren Menschen oder ausländischen Mitbürgern. Gerade das Thema Fremdsprachler macht deutlich, wie unsinnig es ist, lauter zu sprechen, um die Verständlichkeit zu erhöhen. Eine deutlichere Aussprache, ein langsameres Sprechen und längere Reflexionspausen wären wesentlich sinnvoller.
Im Telefon- oder Videotelefonie-Kontakt kommt hinzu, dass solche Missverständnisse nicht sofort erkannt werden oder das Gegenüber nichts sagt. Wenn Sie jedoch mehrere Stunden pro Tag in Videokonferenzen sitzen und dabei Ihre Körpersprache durch Lautstärke als kommunikatives Hauptmerkmal ersetzen, ist es nicht ungewöhnlich, wenn Sie am Abend heiser sind.
Geschwindigkeit
Eine Dehnung von Wörtern wirkt eindringlich oder sogar bedrohlich, eine Beschleunigung kennzeichnet Energie und Motivation. Wir sprechen meist eher zu schnell. In manchen Fällen kennen wir selbst die Inhalte bereits in- und auswendig, wenn wir beispielsweise die Ergebnisse eines Projekts vorstellen. In anderen ging uns das Gesagte zumindest schon einmal durch den Kopf, während unsere Zuhörer es erst noch verarbeiten müssen.
Gerade in digitalen Kontexten nehmen wir uns zu wenig Zeit, denn die digitale Uhr des Meetings ist gnadenloser als vor Ort, mein Gegenüber könnte jederzeit ungeduldig werden und ich selbst kann seine Körpersprache schlechter deuten als im Ganzkörpermodus ohne technischen Vermittler. Wer jedoch stetig zu schnell spricht, beraubt sich und seinen Worten eine großartiges Mittel der Dramatik.
Pausen
Während die bisherigen Modulationsmöglichkeiten auch in digitalen Settings noch relativ einfach umzusetzen sind, ist dies beim Einsatz von Pausen schwieriger. Mein Gegenüber sieht meistens nicht, ob ich weitersprechen will und könnte daher – wir kennen das aus zahlreichen virtuellen Meetings – mitten in meine Spannungspause hinein quasseln und damit die gesamte Inszenierung zerstören. Während ich in einem Vortrag mit Live-Kontakt längere Spannungspausen einbauen kann, damit meine Zuhörer das Gesagte reflektieren, muss ich in digitalen Meetings auf kurze Pausen während einem Satz zurückgreifen, um zu verdeutlichen, dass mein Gedanke noch nicht zu Ende gedacht ist: „Egal, wie dieses Projekt endet … wir können jetzt schon mit uns zufrieden sein.“
Sowohl Pausen als auch ein nicht zu träges, aber souverän-langsames Sprechtempo, erhöhen den eigenen Status. Wer es sich leisten kann, sich nicht zu hetzen, gewinnt in den Ohren seiner Zuhörer an Ansehen. Wer es zu eilig hat, signalisiert Angst vor einer Unterbrechung zu haben, weil seine Rede nicht spannend und interessant oder er als Person nicht wichtig genug ist.
2. Machen Sie es Ihrer Stimme leicht
Während wir im Berufsalltag vor Ort stetig unsere Stimme durch Smalltalk in Schwung halten, muss unsere Stimme, vor allem wenn ein Meeting in frühen Morgenstunden stattfindet, von 0 auf 100 hochfahren. Atmen Sie deshalb bevor ein Meeting beginnt sowie grundsätzlich in Redepausen ein paar Mal ruhig und tief bis in den Bauchraum ein und aus. Auch ein paar Gesangseinlagen sind hilfreich, um die Stimme am Morgen in Schwung zu bringen. Oder Sie summen „Mmmh!“ in Ihrer Eigenton-Lage. Diese finden Sie leicht heraus, wenn Sie an eine leckere Tasse Kakao denken oder an Ihr Lieblingsessen. Trinken Sie zwischen Ihren Redeanteilen bewusst einen kleinen Schluck Wasser oder Kräutertee. Grundsätzlich sollten Kaffee, schwarzer Tee, Cola oder Schokolade vermieden werden, da koffeinhaltige Substanzen unseren Mund austrocknen. Auch scharfe Gewürze wie Curry, Paprika oder Pfeffer rauben uns eine gute Stimme. Uns bleibt nicht umsonst bei besonders scharfen Gerichten die Luft weg. Und dass Salz unserem Körper Wasser entzieht, wissen bereits die meisten Menschen.
Haltung
Um Ihre Wirkung auf andere zu erhöhen, ist es gerade im Homeoffice wichtig, auf eine aufrechte Haltung mit beiden Beinen fest auf dem Boden zu achten. Sie brauchen schließlich auch in Fernmeetings ein gutes Standing bzw. Stehvermögen, einen guten Auftritt oder wollen Ihren Standpunkt deutlich vermitteln. Von einem guten Sitzing und einem kraftvollen Sitzvermögen habe jedenfalls noch nicht gehört, außer Sie wollen ein Thema aussitzen.
Während wir uns im Vor-Ort-Berufsalltag oftmals stehend unterhalten oder uns soziale Konformitätsregeln daran hindern, in einer Sitzung im Sessel zu versacken, ist die Versuchung zu Hause groß, sich im Bürostuhl zu fläzen. Die Wirkung einer aufrechten Haltung lässt sich leicht testen, wenn Sie folgenden Satz einmal mit gebeugter und einmal mit gerader Haltung aussprechen: „Ich möchte dir etwas sagen.“ Eine gebeugte Haltung hat etwas Schwaches, Depressives, Zurückhaltendes. In einer verkrümmten Haltung machen wir es unserer Sätzen schwer, aus unserem Mund zu kriechen. Eine gerade Haltung wirkt klarer und offener. Hier gibt es keine Barrieren, die unsere Worte auf dem Weg von unserem Zwerchfell bis in den Äther überwinden müssen.
Schauen wir uns noch ein paar weitere Übungen an, damit Ihre Stimme auch im Homeoffice nicht zu krächzen beginnt, sondern über viele Stunden kraftvoll bleibt.
Lockerungsübungen
Die meisten Übungen zur Lockerung der Zunge, des Munds und Ihres Zwerchfells, um die Entfaltung Ihrer Stimme zu fördern, sind glücklicherweise so einfach wie bekannt. Stellen Sie sich am besten vor, Sie wären ein frecher kleiner Junge oder freches kleines Mädchen und würden sich im Sommer mit anderen frechen Kindern in der Natur die Zeit vertreiben: Sie schnauben wie ein Pferd oder sagen „brrrr“ wie ein Kutscher. Blasen die Backen auf und lassen sie anschließend mit einem Plopp explodieren. Sie gähnen, wenn Sie die Ideen der anderen langweilig finden. Oder seufzen übertrieben. Sie strecken sich gegenseitig die Zunge heraus und blasen Luft unter der herausgestreckten Zunge durch. Oder Sie kauen die Müsliriegel, die Sie dabei haben, lautstark und exzessiv, bis sie beinahe von selbst von Ihrer Spucke zersetzt werden. Sie sagen laut „ahhh“, singen, summen und pfeifen oder ahmen die Geräusche einer Dampflock nach. Und wenn die Kinder älter werden, werfen sie sich einen Kussmund zu und schmatzen laut dabei.
Ich möchte in diesem Artikel nicht auf die wissenschaftlichen Details eingehen, warum diese Übungen sinnvoll sind. Wenn Sie jedoch Ihre Hand auf Ihren Bauch oder leicht darüber auf Ihr Zwerchfell legen, merken Sie die Kontraktionen in Ihrem Körper, als würden Sie Ihre Organe in ein Fitnessstudio schicken. Genau so wie Sie Ihre Muskeln vor einem Marathon trainieren sollten, gilt dies auch für alle Körperteile, die an einer kraftvollen Stimme beteiligt sind: Mund, Zunge, Kehlkopf, Lunge, Zwerchfell und Bauch.
Zwischenatmung
Wer hektisch ist und daher schnell zwischenatmen muss, saugt aufgrund der Hektik kalte Luft ein, die den Rachenraum reizt. Wer langsamer spricht und den Mund kontinuierlich ein wenig offen stehen lässt, atmet automatisch ein. Deutlich wird dies, wenn Sie laut „t, t, t“ sagen und nach jedem t den Mund offen lassen. Sie merken dann, dass automatisch Luft in Ihre Lungen strömt. Noch besser testen lässt sich beim Schimpfen: „Du Idiot!“ Sagen Sie einmal „Du Idiot“ ganz sachlich und einmal mit einem dicken Ausrufezeichen am Ende. Merken Sie, wie vor allem bei der zweiten Version Ihr Bauch und Ihr Zwerchfell arbeiten durften und die Luft anschließend von alleine wieder in Ihre Lungen strömt? Dies funktioniert mit den meisten kraftvollen Lauten am Ende eines Gedankens oder eines Satzes, beispielsweise ein „Sch“ und spricht dafür, dass Betonungen nicht nur ausdrucksstark machen, sondern auch Ihre Atmung unterstützen.
Anstatt mit einem Atemzug einen ganzen Satz zu vermitteln, sollten Sie sich angewöhnen, Ihre Sätze in Gedanken zu unterteilen: „Wie konnte es nur … so weit kommen?“. Lassen Sie nach dem „nur“ den Mund leicht offen, strömt die Luft beinahe von alleine zurück.
Häufigere Atempausen zu machen, fühlt sich zu Beginn seltsam an. Ihre Stimme wird es Ihnen jedoch danken. Und eine kraftvollere Rede bekommen Sie damit zusätzlich.
Für eine gute Raumatmosphäre sorgen
Eines der Hauptprobleme in Büros, teils auch im Homeoffice, ist die trockene Luft. Ständig Wasser zu trinken ist jedoch nur eine Lösung. Oftmals ist es sogar sinnvoller, den eigenen Speichel hinunterzuschlucken, da dieser sich besser auf den Kehlkopfdeckel legt.
Woran die wenigsten denken, ist für ein gutes, nicht zu trockenes Raumklima zu sorgen. Die Luftfeuchtigkeit sollte zwischen 50 und 65 Prozent liegen. Wenn Sie häufig Probleme mit einer zu trockenen Luft haben, bietet es sich an, sich einen Luftfeuchtigkeitsmesser zulegen. Auch eine regelmäßige Belüftung wirkt oftmals Wunder. Sie kennen dieses Phänomen vielleicht, wenn Sie Husten haben. Bei Bahnfahrten mit trockener Luft wird es meistens schlimmer. Und bei offenem Fenster zu schlafen, ist meist angenehmer. In Büros, die aufgrund des Lärms oder anderer Probleme schlecht zu lüften sind, bietet es sich an, Luftbefeuchter, Wasserschalen oder Wasserpflanzen aufzustellen. Insbesondere im Winter, wenn die trocken-kalte Luft draußen der Luft im Innenraum Feuchtigkeit entzieht, was nicht selten zu einer Luftfeuchtigkeit von unter 30 Prozent führt. Dabei spielt auch die Wärme logischerweise eine wichtige Rolle. Über 22 Grad sollte es nicht haben. Und unter 20 Grad ist es den meisten Menschen ohnehin zu frisch.
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Über den Autor
Michael Hübler ist Mediator, Berater, Moderator und Coach für Führungskräfte und Personalentwickler. Als Konfliktmanagement- und Verhandlungstrainer zeigt er, wie wertvoll der Schritt von einer „Heilen-Welt-Philosophie“ zu einer transparenten, agil-mutigen Führung ist.Bei metropolitan von Michael Hübler erschienen:
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