Als erfolgreicher Mediator und Coach ist Bestseller-Autor Michael Hübler üblicherweise viel unterwegs, um Führungskräfte zu schulen oder Vorträge zu halten. Doch wie viele Selbstständige ist er nun ebenfalls ins Homeoffice verbannt und beschäftigt sich gezwungenermaßen mit der vielfältigen Berichterstattung zur aktuellen Situation. Und was macht ein Autor, der an den Schreibtisch gefesselt ist und plötzlich “zu viel” Zeit hat? Natürlich – er schreibt!
In gewohnt kritischer, leicht zynischer, aber auch humorvoller Manier beschäftigt sich Michael Hübler mit der derzeitigen Situation und reflektiert über Themen, die ihn bewegen. Damit möchte er Mut machen, Ablenkung schaffen, vielleicht auch zum Nachdenken anregen in einer aktuell schwierigen Zeit, der wir uns als Gesellschaft, Familie, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, aber auch als Freunde und Individuum stellen müssen. Daraus entstehen – mit dem ihm so typischen Augenzwinkern – die Hübler Bunker-Chroniken.
Im heutigen Beitrag setzt sich Michael Hübler mit der Resilienz in Krisenzeiten auseinander. Auch wenn wir aktuell in einer surrealen Zeit stecken, sollten wir uns nicht in Weltuntergangsstimmung versetzen lassen, sondern versuchen, die Krise anzunehmen und das Beste aus der Situation zu machen.
Stress in Zeiten von Corona
Was bringt einen Menschen dazu, in Zeiten von Corona psychisch stabil zu bleiben und sich nicht von dem Corona-Ticker und den aktuellen Fallzahlen verrückt machen zu lassen? Die Influenza mag weniger gefährlich sein als das Coronavirus. Dennoch: Würden in Zukunft in jeder Grippesaison solche Fallzahlen durch die Medien tickern, würden wir auch hier verrückt werden. Was neurobiologisch perfekt zum Abnehmen dient, nämlich das stetige Aktualisieren von Zahlen als jeweils neuer Referenzwert, als Motivation abzuspecken, treibt hier manche Menschen geradezu in den Wahnsinn.
Manche schauen einfach nicht mehr hin. Das jedoch ist nur bedingt eine Lösung, zumal es regelmäßig neue Bestimmungen gibt über Maskenzwang, Ausgangbeschränkungen und Bußgeldkataloge. Ich muss also hinschauen. Andere lesen sich quer durch den Zeitungswald, von Spiegel, über Zeit, Süddeutsche oder Tagesspiegel, um ein differenziertes Bild auf das Virus und seine Risiken zu bekommen. Das kostet allerdings Zeit, die nicht jeder aufbringen kann. Eine systemrelevante Alleinerziehende, die von morgens bis abends an der Supermarktkasse sitzt, hat kaum die Zeit, sich entsprechend mit Wissen zu impfen. Und ein gerade noch so systemrelevanter Verwaltungsangestellter hat weiß Gott andere Sorgen, als sich durch den deutschen Blätterwald zu lesen.
Der Stress ist dennoch da. Die Sorge um den Arbeitsplatz oder die Angst um die eigenen Eltern oder andere befreundete Risikopatienten. Wer sich ein wenig im Internet tummelt oder den Menschen auf der Straße in die Augen blickt, könnte sich auch Sorgen um unsere Gesellschaft oder die psychische Gesundheit mancher Mitmenschen machen – von den Sorgen um den Rechtsstaat ganz zu schweigen.
Nun kann ich mir nicht den ganzen Tag Sorgen machen. Gut, ich könnte, aber sinnvoll ist es natürlich nicht. Davon gehen die Ursachen der Ängste auch nicht weg. Und auf viele dieser Ursachen habe ich schlichtweg keinen Einfluss. Deshalb ist es sinnvoll, sich immer wieder darauf zu konzentrieren, was ich genau jetzt tun kann.
Für eine solche Art Fokussierung bietet der Begriff der Resilienz, der häufig als innere Stärke übersetzt wird, hilfreiche Ansatzpunkte.
Realistischer Optimismus
Der Blick in die Zukunft ist inmitten einer Krise nicht einfach. Es kann jedoch nicht darum gehen, sich eine rosarote Zukunft zu wünschen. Der Gedanke, dass nach Corona alles gut wird, dass die Umwelt sich erholen und wieder jeder Mensch einen Job finden wird, ist verlockend. Und ein wenig spinnen ist nicht nur erlaubt, sondern ganz gesund, um gerade in schweren Krisen ein Gegengewicht zu den erdrückenden Gegenwart aufzubauen. Ist die Vision allerdings zu regenbogenfarben, könnte es in der tatsächlichen Zukunft ein böses Erwachen geben.
Unser Optimismus hängt davon ab, ob ich eine Art Urvertrauen in die Welt habe. Auch ein Vertrauen in die Gesellschaft, das Funktionieren unseres Staats, das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Medien und natürlich die Fairness meines Arbeitgebers sind wichtig.
Dabei gibt es grob zwei Typen von Optimisten:
Die bedingungslos Optimistischen
Egal was passiert: Alles wird gut. Eine solche Haltung kann andere Mitmenschen aber extrem nerven. Zum anderen wird nicht immer alles gut. Vielleicht am Ende, wenn wir an einer Krise gewachsen sind. Doch zwischendrin gibt es immer wieder Konflikte, innere und äußere, die gelöst werden wollen. Unsicherheiten, die überwunden werden müssen. Ein bedingungsloser Optimismus macht jedoch blind gegenüber diesen Hindernissen des Alltags, an denen ich wachse, wenn ich lerne, gut damit umzugehen.
Die realistischen Optimisten
Deren Motto lautet: Es wird krachen, aber darauf bin ich vorbereitet. Wahrscheinlich werde ich nicht alle meine Ziele erreichen – einen Großteil aber schon.
In der Optimismus-Forschung ist schon lange bekannt, dass die entspannteren und gleichzeitig erfolgreicheren Menschen dem Konzept des realistischen Optimismus folgen.
Dazu eine kurze Reflexion:
- Bin ich zu pessimistisch oder optimistisch?
- Worauf sollte ich mich einstellen?
- Was von meiner negativen Vorstellungen wird sicherlich nicht passieren?
Akzeptanz von Krisen und Lebensläufen
Als meine Kinder noch klein waren, las ich ihnen gerne aus dem Buch Frau Meier, die Amselvon Wolf Erlbruch vor. In diesem Buch geht es um Frau Meier, die stetig damit beschäftigt ist, sich Sorgen darüber zu machen, dass Katastrophen über sie hereinbrechen könnten. Die klassische Entgegnung ihres Mannes lautet: Es ist, wie es ist. Wir können’s nicht ändern.
Manchmal ist das eine gute Haltung, auch wenn es nicht immer einfach ist und natürlich nur die eine Seite der Medaille offenbart: Ich akzeptiere die Umstände. Ich kann nicht alles ändern. Ich weiß, dass es heute regnet und morgen oder übermorgen, auf jeden Fall irgendwann mal wieder die Sonne scheinen wird. Im Leben geht es auf und an. Es gibt Höhen und Tiefen. Wenn ich oben bin, sollte ich zumindest mit einer Gehirnzelle daran denken, dass es wieder abwärts gehen kann, was vielen Aktienbesitzern schwer fällt. Wenn ich unten bin, wird es auch wieder aufwärts gehen.
Eine solche Denkweise fällt schwer, wenn wir mitten in einer Krise stecken. Blicken wir jedoch auf unser Leben zurück, erkennen wir, dass es weit unstetiger verläuft, als wir vielleicht glauben.
Die Akzeptanz steht dem Optimismus gegenüber, da sie einen überbordenden Hurra-wir-fahren-in-den-Krieg-Optimismus auf den Boden der Tatsachen zurückbringt.
Auch hier wieder eine kurze Reflexion:
- Welche Krisen habe ich bisher in meinem Leben schon gemeistert?
- Was habe ich dasraus Positives gelernt?
Tägliche Ziele und Rituale
Da über Ziele andersorts viel geschrieben wird, fasse ich mich kurz. Fakt ist: Ziele motivieren – allerdings nur, wenn es sich um persönliche, realistische Ziele handelt. Und auch nur solange, bis die Ziele erreicht werden. Daher sollten Ziele immer etwas Vorübergehendes haben.
Sich in der Krise persönliche Ziele zu setzen kann enorm fokussierend wirken. Gleichzeitig können sie helfen, den Alltag zu strukturieren, der momentan bei vielen Menschen, gerade im Homeoffice, durcheinander geraten ist. Klare Essenszeiten können dazu gehören, feste Zeiten für ausgiebige Spaziergänge oder regelmäßige Trainingseinheiten auf dem Stepper. Auch eine Not-to-do-Liste kann zur Zielerreichung sinnvoll sein. Dort könnte beispielsweise stehen: Nicht mehr als 30 Minuten auf den Corona-Ticker zu schauen. Oder: Nicht so viel Süßes essen!
Auch hier wieder eine kurze Reflexion:
- Welche Rituale könnte ich mir täglich als Struktur geben?
- Welche täglichen Ziele will ich mir setzen?
- Was will ich nicht tun, weil es mir nicht gut tut?
Persönliche Gestaltungsmacht
Der zentrale Begriff dieses Unterpunkts lautet Selbstwirksamkeitserwartung: Was kann ich selbst tun, um eine Veränderung in Richtung des gewünschten Ziels zu erreichen?
Zugleich geht es um die Frage nach der Überwindung von Opferhaltungen oder – um mit Kant zu sprechen „dem Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit”. Etwas emotionaler formulierte dies einst der Dalai Lama: Schmerz ist unvermeidlich – Leiden ist eine Entscheidung.
In der Forschung wird daher zwischen echten und falschen Opfern unterschieden. Dass ich meinen Job aufgrund der Krise verloren habe macht mich zu einem echten Opfer. Was ich jedoch daraus mache, ob ich dies als Ende meines Lebens betrachte oder als Möglichkeit eines Neuanfangs – immerhin kann mir niemand vorwerfen, ich wäre selbst schuld daran gewesen –, ist meine eigene Entscheidung.
Ich kann also bereits heute damit anfangen, mich über Fernstudien zu erkundigen oder mich sofort weiterzubilden. Und vielleicht bin ich nach der Krise sogar glücklicher als zuvor, weil ich merke, dass mir mein bisheriger Job ohnehin keinen Spaß mehr gemacht hat.
Eine Krise zwingt uns immer zum Umdenken. Wir können die Chance ignorieren oder sie ergreifen und damit Verantwortung für uns und unser Leben übernehmen.
Auch hier wieder eine kurze Reflexion:
- Worauf habe ich keinen Einfluss?
- Wie will ich damit umgehen?
- Worauf habe ich einen Einfluss?
- Was kann ich konkret unternehmen?
Soziale Verbundenheit
Bisher beschäftigten wir uns vor allem mit uns selbst und der Frage, wie wir unser Leben in die Hand nehmen können, mit Optimismus, Realismus, Zielorientierungen und der Fokussierung auf das Mögliche. Es kann jedoch gerade in Krisen Momente geben, in denen eine tiefere Verbundenheit zu anderen Menschen notwendig ist, um zu realisieren, nicht allein auf der Welt zu sein. Der Impuls, sich mit anderen aktuell in der Corona-Krise solidarisch zu verbinden, gibt nicht nur den Geholfenen einen Halt, weil es neben den Hilfsgütern das Signal sendet, dass sie nicht alleine sind. In der Not können sie sich auf die Güte ihrer Mitmenschen verlassen. Interessanterweise wirkt bereits die Tatsache, verlässliche Freunde zu haben, so stärkend, dass diese Freundschaften oftmals gar nicht genutzt werden müssen.
Die Unterstützung Bedürftiger hilft jedoch auch den Helfern, die sich gebraucht fühlen. Dasselbe Prinzip gilt für ältere Menschen: Wer in der Rente ein Ehrenamt ausübt, lebt länger.
Auch hier wieder eine kurze Reflexion:
- Worauf kann ich mich in der Not verlassen?
- Wer kann mir helfen oder mich beraten, wenn ich Hilfe brauche?
- Wen kann ich selbst unterstützen, um mein Selbstwertgefühl zu stärken?
Schon nächste Woche geht es weiter mit Hüblers Bunker-Chroniken! Dranbleiben!
Über den Autor
Michael Hübler ist Mediator, Berater, Moderator und Coach für Führungskräfte und Personalentwickler. Als Konfliktmanagement- und Verhandlungstrainer zeigt er, wie wertvoll der Schritt von einer „Heilen-Welt-Philosophie“ zu einer transparenten, agil-mutigen Führung ist.Zum Schutz vor Lagerkoller empfohlen:
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